Kurier 17 Sep 2018
VON SUSANNE ZOBL
Benjamin Schmid (50) und seine Geige (300)
Jüngst wurde er 50, seine Geige, eine Stradivari, wird 300 Jahre alt. Das Mozarteum in Salzburg eröffnete mit ihm die Saison, Servus TV übertrug live. Seine Aufnahmen erscheinen bei Oehms Classic in einer Gesamtausgabe.
KURIER: Von Dirigenten sagt man, dass sie ab dem 50. Lebensjahr immer besser werden. Wie ist das mit Geigern?
Benjamin Schmid: Geige spielen ist viel zu schwer, um das im hohen Alter noch zu praktizieren. Aber zwei Jahrzehnte habe ich schon noch vor mir, wo ich richtig gut spielen kann. Und ich spiele heute so gern wie nie zuvor. Es gibt aber einen Unterschied zu früher. Vor 20 Jahren gab es noch keinen Horizont, wo sich ein Ende abzeichnete. Den gibt es jetzt.
Sie feiern nicht nur Ihren Geburtstag, sondern auch den Ihrer Violine. Das Instrument ist 300 Jahre alt. Immer wieder werden Geigen gestohlen. Haben Sie nicht ständig Angst, wenn sie mit ihr unterwegs sind?
Es wäre keine Lösung, diese Instrumente in einen Schrank zu sperren und nur anzustarren. Sie sind dazu da, um zu klingen. Und gestohlene Instrumente könnte man überhaupt nicht verkaufen, weil sie registriert sind. Aber wie groß die Belastung ist, so ein Instrument mitzuführen, wird einem erst bewusst, wenn man ohne dieses Stück reist. Denn die Sorge darum führt man immer mit.
Sie sagten einmal, Sie würden bei jedem Auftritt tausend Tode sterben. Hat sich das geändert?
Auf die Bühne zu gehen, ist immer ein Gang zum Schafott. Auch, wenn man ein Stück schon 100 Mal gespielt hat. Denn dann will man dabei an seine persönlichen Grenzen gehen. In der Musik soll ja etwas Großartiges passieren, aber das bedarf unseres ganzen Einsatzes, physisch und mental.
Woran denken Sie bei Ihren Auftritten?
Das Wichtigste ist, sich zu fragen, ob wir alle bereit für das Besondere sind.
Was aber, wenn das Besondere ausbleibt?
Das gibt es auch. Professionelle Musiker verlassen sich dann auf ein Sicherheitsnetz, das heißt auf das Wissen, dass man ein gewisses Niveau nie unterschreitet.
Man kann Musik überall jederzeit über Online-Streaming erleben. Braucht man überhaupt noch Konzerte?
Da wir Musik jederzeit zur Verfügung haben, wird das Live-Erlebnis immer mehr geschätzt, vielleicht sogar noch mehr als früher, weil wir alle gemeinsam eine musikalische Gegenwart erleben wollen.
Sie spielen immer wieder Raritäten ein. Sehen Sie sich als Anwalt vergessener Komponisten?
Bei Ermanno Wolf-Ferrari ja. Ähnlich bei Erich Wolfgang Korngold. Ich war der erste, der sein Vio- linkonzert mit den Wiener Philharmonikern gespielt hat. Heute ist es das gefragteste Konzert im Schott Verlag. Ein paar solche Missionen würde ich noch gern schaffen. Etwa Weinbergs Violinkonzert.
Sie sind mit der Pianistin Ariane Haering verheiratet. Stimmt es, dass jedes ihrer Kinder zwei Instrumente spielt?
Ariane Haering kommt zum Gespräch hinzu: Alle Kinder spielen zwei Instrumente. Cello, Geige, Flöte, Schlagzeug, Klavier, unsere Große singt sogar.
Schmid: Ein Leben ohne Musik ist in unserem Haushalt nicht vorstellbar. Aber wir setzen nicht voraus, dass unsere Kinder Musiker werden sollen. Das müssen sie selber entscheiden. Ist eine Musikerehe nicht oft schwierig? Haering: Die Leidenschaft für Musik zu teilen, ist ein Balanceakt, weil wir auch Partner für die kleinen und großen Probleme im Leben bleiben müssen. Aber dieses Grundverständnis hat unsere Karrieren ermöglicht.
Kritisieren Sie einander auch?
Schmid: Wenn wir zusammen arbeiten, kritisieren wir einander sicher härter als andere musikalische Partner.
Kann man einen Ehestreit durch gemeinsames Musizieren lösen?
Schmid: Musizieren hilft über Krisen hinweg. Aber einen alltäglichen Konflikt kann man nicht mit Schubert lösen.